. .

Fotos aus Alsdorf

Alsdorfer Gedenkstätten - Grubenunglück 1917

In den schweren Zeiten, hielt der Tod grausige Ernte bei dem schweren Grubenunglück am 29. November 1917. Rauh und kalt war dieser 29. November, und die Sonne, die morgens hin und wieder die schneeschweren Wolken zerrissen hatte, war gegen Nachmittag, als die erste Schreckenskunde den Ort durcheilte und die Sirenen in schrillen Tönen um Hilfe riefen, wie eine blutrote, brennende Wunde.

Für eine kurze Spanne Zeit herrschte eine unheimliche Stille in den Straßen, als sei alles entflohen oder der Schrecken habe alles Leben gelähmt. Doch nur für eine Weile; dann waren plötzlich viele Menschen in ihnen, und alle riefen dasselbe in gleicher Erregung, und alle schlugen den gleichen Weg zur Grube Anna I ein.

Der Grubenplatz bot anfänglich dasselbe Bild wie an anderen Tagen, nur daß ab und zu berußte Gestalten vorüberhasteten, die irgendwohin etwas riefen, was man nicht verstand. Dann plötzlich Rettungswagen und Autos, denen Herren der Direktion und Bergbehörde entstiegen. Und dann kam vom Schacht Anna I her die erste Bahre. Zwei Rettungsleute trugen sie langsam und schwer. Es kam eine plötzliche Stille über die wartenden Menschen.

Eine Bahre nach der anderen brachte Verletzte und Tote, und mit jeder schlich sich Angst in die Herzen der Wartenden. Dazwischen kamen Leichtverletzte, sich stützend auf ihre Kameraden, die erloschenen Lampen noch am Brusttuch. Krankenwärter jagten hin und zurück. Denen am Tor schlichen die Stunden vorüber, als hätten sie nie ein Ende. Es wurde Nachmittag, Abend. Als die Nacht kam, standen sie immer noch – und warteten und warteten…

Bis zum Mittag des anderen Tages waren 21 Tote geborgen. Schritt für Schritt drangen die Rettungsmannschaften vor, bis sie am Ende ihrer Mühen zu der grausigen Erkenntnis kamen, daß von den 37 vermißten keiner mehr am Leben sei. Mit dieser Nachricht schwand auch denen, die immer noch vor den Toren standen, die letzte Hoffnung.

Die Entstehung jener Katastrophe wurde in ihren Einzelheiten und ihrem Verlauf erst nach einigen Tagen bekannt.

Das Unglück geschah durch eine Benzollokomotive infolge Gebrauchs schlechten Kriegsmaterials. Ungefähr 450 Meter vom Schacht entfernt entstand ein Brand, der schnell um sich griff. Von starkem Luftzug begünstigt, drang der sich entwickelnde stickige Qualm immer tiefer in die Bauabteilungen ein. Die Bergleute, welche sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten, wurden eingeschlossen und Opfer der giftigen, todbringenden Gase.

Die Zahl der Toten belief sich auf 58, die der Verletzten auf etwa 40. Unter den Verunglückten befanden sich 18 Kriegsgefangene (17 Russen, 1 Serbe). Wie viele in den folgenden Tagen in den umliegenden Krankenhäusern ihren Verletzungen erlagen, ist nicht mehr festzustellen. In den entsprechenden Unterlagen sind 60 Personen aufgeführt. Als Todeszeit wurde der 29. November 1917 nachmittags zwischen zwölf und drei bzw. ein und vier Uhr “im unterirdischen Betrieb der Grube Anna I durch ersticken” angegeben.

Name Vorname Alter Familienstand Geburtsort Wohnort Religon
Lenzen Wilhelm 40 verh. Frauenrat Schaufenberg kath.
Pletz Johann 47 verh. Oidtweiler Oidtweiler kath.
Zimmermann Josef 30 Ledig Hoengen Baesweiler kath.
Decker Andreas Arnold 24 Ledig Schaufenberg Schaufenberg kath.
Körfer Franz 36 verh. Bardenberg Bardenberg kath.
Sieprath Hubert 47 verh. Herzogenrath Baesweiler kath.
Schaffrath Hubert 39 verh. Ofden Kellersberg kath.
Hilgers Anton 24 Ledig Scheven Kellersberg kath.
Kohl Martin 18 Ledig Schaufenberg Schaufenberg kath.
Brodesser Jakob 15 Ledig Hoengen Euchen kath.
Bell Georg 33 verh. Alsdorf Alsdorf kath.
Taufenbach Wilhelm 45 Ledig Schaufenberg Schaufenberg kath.
Schürkens Franz 45 verh. Hastenrath Siersdorf kath.
Nüßer Franz Wilhelm 58 verh. Alsdorf Alsdorf kath.
Jansen Leonhard Hubert 41 verh. Masbracht Kirchrath, NL kath.
Zimmermann Wilhelm 41 verh. Hoengen Baesweiler kath.
Scholtes Hubert 30 verh. Kirchrath, NL Kirchrath, NL kath.
Offergeld Christian 47 verh. Baesweiler Baesweiler kath.
Nolden Leonhard 35 verh. Ederen Ederen kath.
Trostorf Franz 31 verh. Langendorf Fronhoven/Jülich kath.
Hackhausen Jakob 37 verh. Würselen Würselen kath.
Esser Hubert 43 verh. Mechernich Kellersberg kath.
Breuer Wilhelm Josef 29 verh. Freialdenhoven Floverich kath.
Hall Jakob 45 verh. Welz Siersdorf kath.
Lesmeister Philipp 24 verh. Schaufenberg Schaufenberg kath.
Schlossmacher, Wilhelm 37 verh. Linden Siersdorf kath.
Stritzel Friedrich 37 verh. Melutwiesen / Friedland Hoengen ev.
Klingen Gustav 40 verh. Westherbede Kellersberg kath.
Beckers Johann Hubert 46 verh. Siersdorf Siersdorf kath.
Flüggen Peter Josef 50 verh. Schaufenberg Alsdorf kath.
Govekar Thomas 55 verw. Loitsch / Österreich Kellersberg kath.
Bulkins Heinrich Adolf 37 verh. Kukuk Kreis Marienberg Wilhelmschacht ev.
Küsters Peter Joseph 34 verh. Ofden Kohlberg/Herzogenrath kath.
Kohl Ferdinand 54 verh. Trantenan /Österreich Alsdorf kath.
Vahrenholt Gustav 27 Ledig Hofstede Kellersberg ev.
Winkens Mathias Josef 31 verh. Kohlscheid Kohlscheid kath.
Koenigs Johann Wilhelm 31 Ledig Beggendorf Beggendorf kath.
Hahnraths Kaspar 31 verh Alsdorf Alsdorf kath.
Haine Arthur 49 verh. Carmieres / Belgien Alsdorf kath.
Ruland Andreas 32 verh. Alsdorf Alsdorf kath.
Kamradt August 39 verh. Salpia Kreis Sensburg Alsdorf kath.
Reulens Johann 41 verh. Beggendorf Beggendorf kath.
Everhartz Mathias 44 verh. Beggendorf Beggendorf kath.

In den amtlichen Unterlagen stehen folgende Kriegsgefangene ebenfalls als Opfer der Katastrophe:

Name Vorname Alter Familienstand Geburtsort Wohnort Religon
Achtjamow Ganit 29 unbekannt Kasan / Russland unbekannt mosaisch
Babkin Dimitri 34 unbekannt Kursk, Pogorillow / Russland unbekannt orthodox
Berelowitsch Moisei 24 unbekannt Kowno / Russland unbekannt israelitsch
Chnitschkin Iwan 25 unbekannt Kaluga / Russland unbekannt orthodox
Dsukitsch Milorad 34 unbekannt Tzewa / Serbien unbekannt orthodox
Goikowitsch Milan 29 unbekannt Treltscha, Rudnitschki / Serbien unbekannt orthodox
Gratschow Fjedor 36 unbekannt Bütnrdina, Penza / Russland unbekannt orthodox
Gutkow Makei 34 unbekannt Kursk, Raiworonsk / Russland unbekannt orthodox
Jegorow Alexei 32 unbekannt Witebsk, Buraki / Russland unbekannt orthodox
Kowalenko Alex Iwanow 33 unbekannt Petrowo-Chersson / Russland unbekannt orthodox
Sieltschinkon Iwano 26 unbekannt Janaliki, Astrachan / Russland unbekannt orthodox
Safranow Grigori 39 unbekannt Nowatjochtgankyn, Tambowsky, Russland unbekannt orthodox
Popow Maxim 33 unbekannt Kosmodlemiancoe / Russland unbekannt orthodox
Tschudajow Pawel 24 unbekannt Pensa, Nowoschaigwo / Russland unbekannt orthodox
Wanin Wassili 36 unbekannt Kislowki-Penza / Russland unbekannt orthodox
Wutscheitschewitsch Wladimir 36 unbekannt Milatowitschi-Tschatschanski / Serbien unbekannt orthodox
Miekirtytschik Magut 27 unbekannt Eriwan, Alexandrapo / Russland unbekannt orthodox

Tragisch war es auch, daß Vater und Sohn vom Schicksal ereilt wurden; ebenso, daß der Steiger Bulkins, der sich schon außerhalb der Gefahrenzone befand, von dem Versuch, seine Leute zu retten, nicht mehr zurückkehrte. Man fand ihn am anderen Morgen so, wie der Tod ihn überrascht hatte: mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt und den Kopf in die Hände vergraben.

Vor der Beisetzung wurden die Leichen im großen Schalterraum und in der angrenzenden Kantine aufgebahrt. Hier fand auch die Totenehrung statt. In zwei langen Reihen stand Sarg an Sarg. Unter zahlreichen Kränzen vergraben, standen die Särge zu zehn und zehn auf den Schwarzverhängten Wagen, neben denen die Knappen mit brennenden Lampen gingen. Auch die Kriegsgefangenen begleiteten ihre toten Brüder zum letzten Gang. Wenn sie auch das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden” nicht verstanden, so fühlten sie doch den Sinn, und die Tränen, die sie weinten, waren doppelt schmerzlich, weil sie in fremde Erde fielen.

Hinweis: siehe auch unter Geschichte Alsdorfs, Kapitel 08.05/b Die große Grubenkatastrophe

Standort: Nordfriedhof

Koordinaten: N50°53’17.1” E6°09’02.0”

Alsdorfer Gedenkstätten
Gedenkstätten, Grubenunglück 1917, Foto-Nr. 2, 27.06.2011|50.88808333,6.15055556
Gedenkstätten, Grubenunglück 1917, Foto-Nr. 3, 04.06.2011<br />Hier ruhen 30 Bergleute - Verungl. 29.Nov.1917|50.88808333,6.15055556
Gedenkstätten, Grubenunglück 1917, Foto-Nr. 4, 04.06.2011<br />Hier ruhen 30 Bergleute - Verungl. 29.Nov.1917|50.88808333,6.15055556