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Die einzelnen Teile der Sagen und Erzählungen aus Alsdorf und Umgebung:
Zufälliges Foto aus der Galerie "Begau":
Begau, Auf der Weide, Foto-Nr. 5, 02.05.2009<br />ist das ein Dachhase?

Sagen und Erzählungen aus Alsdorf

Teil III: „Steiger Dörsch”

Teil III der Sagen und Geschichten stammt aus dem Buch „Steiger Dörch”. Es wurde 1994 vom Bergbaumuseum Wurmrevier e.V. herausgegeben und ist noch käuflich zu erwerben.

Die nassen Füße

Nach der Schicht treffen sich die Bergleute in der Waschkaue. Vor dem Duschen tauscht man im Gespräch die Geschehnisse der Schicht aus und raucht dabei eine Zigarette. Die Grubensteiger sitzen in ihrer Waschkaue. Auch sie unterhalten sich angeregt und diskutieren miteinander die Besonderheiten der vergangenen Arbeitsstunden.

Ein Steiger stellte plötzlich eine Flasche Schnaps auf den kleinen Tisch und sagte: „Gestern hatte ich Geburtstag, ihr werdet doch ein Glas auf meine Gesundheit trinken?” Das war nicht ungewöhnlich in der Steigerkaue, und einen Anlaß zu einem Umtrunk ließ man nie aus. Aus der Flasche wurde nun immer wieder das kleine Glas gefüllt, und, streng die Reihenfolge einhaltend, trank jeder seine Medizin. Es reichte auch noch zu einer zweiten Runde, dann aber erkannten alle deutlich, daß vom verbleibenden Rest in der Flasche nicht noch einmal alle bedacht werden konnten. Das sehr rege Gespräch der Steigerrunde fand eine kurze Unterbrechung. Wie auf einen Befehl hin standen alle von ihren Plätzen auf und gingen zu ihren Spinden. Dort nahmen sie aus ihren Portemonnaies einige Münzen, die sie, als sie zur Runde wieder zurückgekehrt waren, still auf den Tisch legten. Einer von ihnen zählte nach, rief den Kauenwärter und gab den Auftrag, in der Kantine eine weitere Flasche Schnaps zu holen.

Es war sicherlich auch die Müdigkeit von der schweren Arbeit, dazu kam die bisher erfolgreich geleistete Schnapsvertilgung, die bewirkten, daß ein Steiger, selig eingeschlummert, mit leisem Schnarchen das Gespräch der anderen störte. Feierlich berieten sich nun seine Kameraden, was mit ihm geschehen solle. Nach einigem Hin und Her kamen sie zu einem Entschluß, den sie sofort in die Tat umsetzten. Mit vereinten Kräften hoben sie den Schlummernden auf und legten ihn mit seiner Arbeitskleidung, die er noch trug, in eine Badewanne. Dann öffneten sie den Wasserhahn.

Als der noch immer Schlafende schon bis zum Hals im Wasser lag, schlug er die Augen auf, blinzelte träge und lallte mit schwerer Zunge, aber nicht ohne Schlagfertigkeit: „Jonge, Jonge, watt hann ich naaße Föß!"*

*) Junge, Junge, was habe ich nasse Füße!

Die letzte Rettung

Es war auf der Frühschicht so gegen elf Uhr. Wir arbeiteten gerade in einem neuen Streb, der in ein paar Tagen planmäßig anlaufen sollte. Die „Botteramms-Zitt”* war gerade vorbei, als der Fahrsteiger und der Reviersteiger kamen. Wir hatten nicht daran gedacht, daß unser Kamerad Hein noch sitzend an einem Stempel lehnte, die Beine lang ausgestreckt, die Hände auf dem Bauch liegend, den Kopf nach vorn gebeugt, und sein Innerstes besah. Hein hatte das Kommen der Aufsichtspersonen nicht bemerkt und schlief weiter den Schlaf der Gerechten.

„Das ist ja wohl die Höhe!” zischte der Fahrsteiger. „Der Kerl schläft wie ein Murmeltier.” Mit drei Schritten war der Fahrsteiger bei dem Schlafenden und stieß ihn unsanft mit dem Fahrstock an. Hein erwachte, hatte die Situation aber sofort im Griff. Weit ausholend schlug er ein Kreuz, hob den Kopf, stand schnell auf und sagte: „Gelobt sei Jesus Christus!” - Und wie aus einem Munde antworteten alle mit einem kräftigen „Amen!” - Den Fahrsteiger anschauend, grüßte Hein mit einem freundlichen „Glückauf!” Die Schlagfertigkeit des Bergmannes durchschaute jetzt der Grubenbeamte, er schmunzelte und sagte: „Ach, du hast gebetet?! Na, dann Glückauf!”

*) Butterbrot-Zeit

Steiger Dörch

Unter den vielen Aufsichtspersonen der Grube Maria-Hauptschacht in Mariadorf zeichnete sich ein Grubensteiger durch besonderes Durchsetzungsvermögen aus. Er entstammte einer alten Bergmannsfamilie, seine bergmännischen Fähigkeiten waren groß, er war Bergmann aus Leidenschaft.

Stellte sich ihm ein bergmännisches Problem, erhielt er mit seinen Leuten einen schwierigen Auftrag, so war stets seine kurze und auch einzige Bemerkung: „Werr mösse dörch!”* und ohne Zaudern ging es an die Arbeit, an die Lösung der gestellten Aufgabe. Das hatte ihm letztlich auch den Spitznamen „dr Dörch” eingebracht.

Die gesamte Belegschaft des Reviers unternahm im Spätsommer einen Betriebsausflug an den Rhein. Es war ein schöner Sommertag, Steiger „Dörch” bekam an diesem Tag das zu hören, was die Bergleute in seiner Gegenwart sonst nicht zu sagen pflegten, nämlich seinen Spitznamen.

Unterwegs im Zugabteil hatte man schon einige Flaschen geleert. Die insgesamt belebende Wirkung blieb nicht aus. Am Bestimmungsort angekommen, strebte die Reviermannschaft mehr oder weniger zielbewußt dem Bahnhofsausgang zu. Ein Teil der Bergleute, unter ihnen der Steiger, hatte schon die Bahnhofssperre passiert. Da besann sich ein Kumpel seiner großen Sangeskunst. Mitten in der Sperre blieb er stehen, drehte sich zu seinen Kameraden um und sang ein fröhliches Trinklied. So versperrte er den Durchgang, alle Personen blieben mit lachenden Gesichtern stehen und warteten das Ende des Liedes ab. Nur der Bahnhofsvorsteher verstand keinen Spaß. Er gestikulierte weitausholend mit den Armen, sein Gesicht war rot angelaufen, seine Stimme überschlug sich, als er immer wieder rief: „Dörch! Dörch! Dörch!” - Sein Pech war, daß er dabei den stillvergnügten Steiger ansah. Bei dem Stichwort „Dörch” warf der sich wie angestochen herum, drängte sich zur Sperre durch, packte den Bahnbeamten beim Kragen und schrie erbost: „Wat, du Lömmel, du kennst mich och at?”* Dann gab er dem Ahnungslosen zwei kräftige Ohrteigen und schritt sichtlich erleichtert zurück.

*) Was, du Lümmel, kennst du mich auch schon?

Höhere Instanzen

Es kam ein Bergmann nach Schicht zum Steiger und sagte: „Herr Steiger, meine Frau läßt fragen, ob ich nicht etwas mehr verdienen könnte. Sie meint, ich könnte wohl Hauer werden!”

Der Steiger dachte nach und fragte zurück: „Deine Frau meint das, und sie wäre damit einverstanden?” - „So ist es”, antwortete der Bergmann, „erst gestern hat sie das gesagt.” - „Wenn das so ist”, gab der Steiger ernst zurück, „dann muß ich auch zuerst meine Frau fragen, ob sie damit einverstanden ist.” Dabei drehte er sich um und ließ den verdutzten Bergmann stehen.

Das Wetterleuchten (nach Johann Winandi)

Auch im Gebiet Eschweiler-Pumpe findet man heute noch überall die Reste alter Schächte. Gewiß kennen einige den schweren Stein, der im Wald von Pumpe-Stich liegt. Er stand einmal über einem Wetterschacht und diente als Rauchfang für das Wetterfeuer. Heute ziehen große Ventilatoren am aufziehenden Wetterschacht die verbrauchte Luft und die Grubengase aus den untertägigen Grubenbauen, so daß an einem oder mehreren anderen Schächten der Grube Tagesluft in die Strecken und Strebe nachströmen kann und die Bergleute immer frische Wetter atmen können. Früher war diese Wetterführung untertage schwieriger. Der ausziehende Wetterschacht war übertage mit einem hohen Kamin überbaut. Seitlich neben dem Schacht vor einer Kaminöffnung brannte auf einem Rost ein Wetterfeuer. Der aufsteigende Rauch und die durch das Feuer erwärmte Luft stiegen durch den Kamin hoch und zogen gleichzeitig Luft aus der Schachtöffnung mit nach oben. So kamen auch die Wetter untertage in Bewegung, es konnte Frischluft an den anderen Schächten nachströmen.

Wenn nun die Bergleute zum Schacht kamen, prüften sie erst einmal den Wind und das Wetterfeuer, das entsprechend den Windverhältnissen gut oder schlecht brannte. So hielten es auch die Bergmänner einer kleineren Grube in Eschweiler-Pumpe. Drückte der Wind den Rauch durch den als Rauchfang dienenden schweren Stein herunter, so daß das Feuer nicht richtig brennen konnte, war es um die Bewetterung des Grubenbaues schlecht bestellt. Die Bergleute pusteten dann ihre Öllampen aus und sagten: „Lott oß no heem jonn, hü brennt et nett!”*

*) Laßt uns nach Hause gehen, heute brennt es nicht!

Die Erfindung (nach Maria Esten-Zinken)

Alsdorf hat heute keinen Bahnhof mehr. Früher verkehrten zuerst Personenzüge, die von Dampflokomotiven gezogen wurden, und dann Schienenbusse auf der Bahnstrecke zwischen Herzogenrath und Stolberg. Erst vor wenigen Jahren wurde die Personenbeförderung hier eingestellt.

Der erste Bahnhof des früheren Ortes Alsdorf lag etwas abseits der Würselener Straße in Richtung Busch. Da es in Alsdorf nur wenige Geschäfte gab, wurden der Bevölkerung am Bahnhof gelegentlich Einkaufsmöglichkeiten geschaffen. Es stand dann ein Waggon mit Weißkohl oder Fisch auf einem Nebengleis, auch Kleidungsstücke und Hausrat gab es dort. Der Ortspolizist ging durch die Straßen und rief: „Kappes an de Bahn!” oder „Foisch an de Bahn!”*

Einmal kam der Polizist und teilte laut rufend der Bevölkerung mit: „Stiif Hött an de Bahn, en Säck met 20 Stöck!”* Ein Lehrjunge der Grubenschmiede wurde geschickt, drei Säcke zu kaufen. Schnell verteilte man die Hüte, und die Belegschaft der Schmiede, des Holzplatzes, des Kesselhauses, der Schreinerei, alle trugen einen „steifen Hut”.

Als am Mittag der Bergwerksdirektor zur Grube kam und die Männer mit den steifen Hüten sah, schüttelte er den Kopf und ließ den Leuten mitteilen, daß er am nächsten Tag keinen dieser Hüte mehr sehen wolle. Da schnitten die Bergleute in der Waschkaue den Rand ihrer Hüte so ab, daß nur ein Schild vorne blieb.

Aus den Hüten waren Kappen geworden. Dem Verbot des Bergwerksdirektors war entsprochen, und so, behaupten einige schmunzelnd, der später vorgeschriebene Sicherheitshelm erfunden.

*) Weißkohl an der Bahn! Fisch an der Bahn!

Soldatenabschied

Ein Bergmann der Grube Gouley in Würselen, stark wie ein Bär, groß und breit wie ein Kleiderschrank, mit Händen wie „Panneschöpp”*, wurde gleich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Militär eingezogen. Seine Frau packte ihm die notwendigen Sachen in einen Karton und weinte dabei ununterbrochen bitterliche Tränen. Ihre Schwester versuchte sie zu trösten: „Du brauchst doch keine Angst zu haben. Höre auf zu weinen, unser Franz hat immer einen guten Schutzengel gehabt!” Da wischte die Frau sich die Tränen ab, schluchzte noch einmal und sagte: „Für meinen Franz habe ich auch keine Angst. Aber ich muß immer an die armen Franzosen denken, die dem Franz in die Finger fallen!"

Straußenbäume

In den Tagesschächten und auch in den vielen Blindschächten, die innerhalb des untertägigen Grubengebäudes Sohlen miteinander verbinden und nicht zum Tageslicht führen, werden mit Förderkörben Personen und Materialien befördert. Dabei werden diese Körbe an Vierkantbalken - ähnlich wie an Schienen - im Schacht geführt, damit sie nicht gegen die Schachtwände stoßen. Diese Führungs- oder Spurlatten nennt der Bergmann im Wurmrevier „Stroßböm”. Jeder Kumpel kennt diesen bergmännischen Fachausdruck.

Eines Tages muß Pitt, ein waschechter Bergmann alten Schlages, solche „Stroßböm” vom Schacht zu einem Aufbruch ins Revier fahren. Er hat etwa zehn solcher Spurlatten auf einem Wagen, den er über die Schienen durch die Strecken schiebt. Unterwegs begegnet ihm der Fahrsteiger. Der leuchtet ihm ins Gesicht und fragt: „Was fahren Sie denn da?”

Pitt ist überrascht und denkt bei sich, daß man einem Fahrsteiger wohl hochdeutsch antworten muß. Also sucht er nach einem richtigen Wort und antwortet schließlich: „Straußenbäume, Herr Fahrsteiger!” - „Was, Straußenbäume?” schallt es ärgerlich zurück. Pitt ist verdutzt. Sollte er sich falsch ausgedrückt haben? „Na, dann meinetwegen Streußelbäume, Herr Fahrsteiger!” platzt er da heraus.

Der Fahrsteiger wird böse: „Was sind das für Dinger?”

Da wird es dem Pitt zu dumm. Ärgerlich antwortet er: „Leck mich de Bräer, kick sälver!”* Er bleibt noch kurz stehen - und stößt dann mit all seiner Kraft den Wagen weiter.

*) Leck mir die Bretter, guck selber!

Der Öcher

Aus vielen Landstrichen Deutschlands kamen Menschen ins hiesige Steinkohlenrevier und arbeiteten auf den Gruben übertage oder untertage. Auch aus der Stadt Aachen verirrte sich gelegentlich ein Arbeiter und wurde auf einer der Gruben „angelegt”, wie die Arbeitsaufnahme bzw. der Beschäftigungsbeginn bezeichnet wurde. Allerdings beurteilten die Bergleute den Arbeitseifer der „Öcher"sehr zurückhaltend.

Auf der Grube Gouley in Würselen hörte man über lange Zeit den Ausruf: „Dat es jätt för zwei Mann oft e Peäd!”* wenn eine besonders schwere oder schwierige Arbeit zu leisten war. - Der Urheber dieses Ausspruches war ein Bergmann aus Aachen, der einem Hauer als Schlepper zugeteilt war.

Beim Verbauen schickte der Hauer den Öcher einen Stempel holen, ohne den er seine Arbeit nicht zu Ende bringen konnte. Der Aachener ging und kam lange nicht wieder. Eine Viertelstunde verging, eine halbe, endlich bald nach einer Stunde tauchte er wieder auf - ohne Stempel. „Wo hast du den Stempel gelassen?” fragte ihn der Hauer. „Den Stempel? Den Stempel? Den Stempel?” antwortete der Aachener entrüstet, und mit jedem Wort schien der Stempel größer und schwerer zu werden. Dann seufzte der Aachener und mit deutlichem Vorwurf in der Stimme erklärte er: „Dat es jätt för zwei Mann off e Peäd!”*

*) Das ist etwas für zwei Mann oder ein Pferd.

Alterslohn

Als ein junger Bergmann eines Tages seinen Steiger um mehr Lohn bat, wurde er gefragt, was er denn jetzt verdiene. „17 Groschen!” antwortete der Jungbergmann. - „Und wie alt sind Sie?” fragte der Steiger zurück. „17 Jahre! Erst in der vergangenen Woche hatte ich Geburtstag!” gab der junge Mann zur Antwort. Eine kurze Pause des Nachdenkens unterbrach den Dialog, dann kam die lakonische Antwort des Steigers: „17 Jahre. - 17 Groschen! - 18 Jahre. - 18 Groschen!”

Das richtige Deutsch

Betriebsführer Hupperts war ein Bergmann durch und durch. Geboren im Revier, kannte er viele seiner Bergleute aus seiner Jugendzeit. Er fühlte sich seiner Belegschaft verbunden, war ein strenger, aber gerechter Vorgesetzter. Von Vornehmheit hielt er nichts. Er verständigte sich mit seinen Leuten in der hiesigen Mundart, rauh und herzlich, wie die Bergmannssprache nun einmal ist.

Einmal klopfte ein Berliner, den es in die Aachener Gegend verschlagen hatte, bei Betriebsführer Hupperts an, trat ins Büro und fragte wohlgeformt und akzentuiert nach Arbeit: „Guten Tag, Herr Betriebsführer! Ich möchte gerne auf diesem Bergwerk arbeiten. Ist dies vielleicht möglich?” Betriebsführer Hupperts sah von seiner Schreibarbeit hoch, musterte den Fragenden ärgerlich und fuhr ihn dann barsch an: „He versteht dich jenge. Jank no heem on lier iesch Dütsch. Dann kötts de wier on frohst vernönftisch! - Glückauf! Maach dat du eruß kötts!”*

Hupperts wandte sich seiner Arbeit wieder zu. Verdutzt und überrascht verließ der Berliner das Büro. Er wagte nicht, nur noch ein einziges Wort zu sagen. Ein zweiter Anlauf am nächsten Tag brachte ihm dann den gewünschten Erfolg, er erhielt Arbeit.

*) Hier versteht dich keiner. Geh nach Hause und lerne erst Deutsch. Dann kommst du wieder und fragst vernünftig! - Glückauf! Mach, daß du hinaus kommst!

Der eiserne Gustav

Von der Grubengesellschaft erhielt jeder Bergmann gegen ein geringes Entgelt für den Fuhrlohn freien Hausbrand geliefert. Je nach Wunsch waren dies Kohlen, Koks oder Brikett. Diesen Deputat-Hausbrand sahen die Bergleute als selbstverständlich an, und selbstverständlich gewährten sich die Bergleute auch selbst Deputate. So gab es in jedem Bergmannsheim für die Gartenarbeit für die Arbeit an Wegen und Zäunen und auch für bauliche Veränderungen am Haus eine Schaufel, einen „schweren Hammer”, eine Spitzhacke und eine Bügelsäge aus den Beständen des Bergwerksunternehmens.

Setzte man in der Grube seine ganze Arbeitskraft ein, so konnte man auch neben dem verdienten Arbeitslohn, ohne die reiche Grubengesellschaft in den Ruin zu treiben, ein paar Nägel, eine Rolle Draht, vielleicht eine Latte oder ein Brett, ein Stück Bandeisen, ein paar Schrauben oder ein Rohr mit nach Hause nehmen.

Der „eiserne Gustav”, ein starker Bergmann aus der Siedlung Zopp, mußte einen neuen Gartenzaun errichten. Die vorhandenen Eisenrohre, über eine lange Zeit schon von der Grube besorgt, sollten einbetoniert werden. Kies hatte sich der Bergmann Gustav von einem Nachbarn mit der Schubkarre geholt. Den zum Beton nötigen Zement wollte sich der starke Mann jetzt auch von der Grube mit nach Hause bringen. Er wußte, daß seine Kollegen oft in Papiertüten kleinere Mengen des grauen Pulvers mitnahmen. Um die mit Zement gefüllte Tüte schlugen sie dann ihr blaukariertes Handtuch, das täglich mit nach Hause genommen wurde, damit es für den nächsten Tag gewaschen werden konnte, und gingen so mit den getarnten Deputaten am Grubenpolizisten, der an der Markenkontrolle stand, vorbei. Der „eiserne Gustav” wollte nicht Zement zu Hause sammeln, er wollte schneller die notwendige Menge haben. Deshalb nahm er gleich einen ganzen Sack Zement nach dem Bad in der Waschkaue auf seine Schulter und deckte das 40-kg-Gebinde mit seinem Handtuch notdürftig zu. So ging er über den Grubenplatz auf das Verwaltungsgebäude zu. Dort war die Markenkontrolle, dort stand der Grubenpolizist. Der hatte darauf zu achten, daß Unbefugte nicht auf das Grubengelände kamen und daß nach Schicht alle Bergleute ordnungsgemäß die Grube verließen.

Die Grubenpolizisten versahen ihren Dienst gewissenhaft, wenn auch mit einer Portion Großzügigkeit. Sie kannten ihre Grube, sie kannten die Bergleute ihrer Grube.

Der „eiserne Gustav” schritt zügig auf die Markenkontrolle zu. Die ungewöhnliche Last auf seiner Schulter erweckte sofort die volle Aufmerksamkeit des Grubenpolizisten. Der stellte sich ihm in den Weg und fragte: „Wohin mit dem Sack Zement?” - „Zement?” fragte Gustav zurück. „Dort auf deiner Schulter liegt ein Sack Zement”, erwiderte der Grubenpolizist streng und wies mit ausgestrecktem Arm und spitzem Finger auf den Sack. Der Bergmann Gustav drehte den Kopf zur Seite und schaute auf seine Schulter. Er tat so erschrocken, als ob er in seinem Leben noch nie einen Sack Zement gesehen hätte. Er hob beide Hände, betastete den Sack auf seiner Schulter und sagte: „Wä hat mich dämm dann do drop jelaat?”*

*) Wer hat mir den denn darauf gelegt?

Die Partnerkarre

Hauer Matjö aus Revier 4 kannte die Leute in der obertägigen Schmiede gut und hatte zu ihnen ein vorzügliches Verhältnis. Gelegentlich tauchte er in der Schmiede auf und bat um einen Dienst. So waren die Bank im Garten seiner Siedlerstelle und auch der Schlitten, den seine Kinder zu Weihnachten als Geschenk erhalten hatten, Produkte aus der Schmiede der Grube Anna II in Alsdorf.

Als Matjö wieder einmal nach der Mittagschicht in der Schmiede erschien, nur um ein „Glückauf” zu sagen und so den Kontakt zu pflegen, erblickte er nach dem kurzen Gespräch, das er mit dem Schmiedemeister führte, am Ausgang eine fabrikneue Schubkarre. Wie selbstverständlich nahm er diese Karre und schob sie durch das Tor vor die Schmiede. Es sollte nur ein Streich sein, und Matjö ging davon aus, daß die Schmiedebelegschaft ihn sofort ertappen und in ein lautes Geschimpfe einstimmen würde. Aber es geschah nichts. Keiner hatte etwas bemerkt. Richtig verdutzt stand der Hauer mit der Schubkarre vor dem Schmiedegebäude. Die Karre jetzt zurückbringen oder sie auch einfach stehenlassen, das waren Möglichkeiten. Kurz entschlossen schob Matjö das Gefährt einfach weiter, über den Grubenplatz zur Bandbrücke, die über die Bahngleise zur Halde führte, über diese Brücke und über die Bergehalde in Richtung Siedlung, den Haldenhang hinunter, und bald war er an seinem Siedlerheim. Die Karre stellte er in den Stall und ging ins Haus.

Am nächsten Tag nahm der Bergmann Matjö eine Flasche weißen Korn mit zur Grube, die brachte er nach der Schicht in die Schmiede, vielleicht als Entgelt, vielleicht auch als Geständnis und angedeutete Bereitschaft, die Schubkarre wieder zur Schmiede zurückzubringen. Er wurde freundlich begrüßt, die Flasche nahm man in Empfang, doch keiner sprach Matjö auf die Schubkarre an. Die verschwundene Karre wurde nicht zum Thema, auch wenn Matiö einige Male das Gespräch darauf lenken wollte. So verabschiedete er sich, um eine Flasche Korn ärmer und um eine Schubkarre reicher.

In den nächsten Tagen plagte doch das schlechte Gewissen den Hauer Matjö. Er erzählte seinem Siedlungsnachbarn von dem Geschehen. Der beruhigte ihn aber und meinte: „Nimm eine Flasche Korn von mir mit zur Schmiede. Dann habe ich auch einen Anteil an der Karre. Wir sind dann Partner!”

Als die Schubkarre nach Tagen zum Einsatz kam und das seltene Stück von einem anderen Siedler gesehen und bewundert wurde, zog man den auch ins Vertrauen. „Eine Flasche Korn von mir teilt die Schuld. Ich bin dann auch Partner. Die Flasche bringst du dann zur Schmiede!”

Bevor die Gartenarbeit in der Siedlung so richtig angelaufen war, hatte Matjö sieben Flaschen weißen Korn zur Schmiede gebracht. Matjös Ansehen wuchs bei der Schmiedebelegschaft ins Unermeßliche, und manche Gegenleistung wurde ihm gewährt.

Die Schubkarre versieht noch heute als „Partnerkarre” in der Siedlungsnachbarschaft ihren Dienst.

Er „stand” in Berlin

Vor dem Ersten Weltkrieg, zu Kaisers Zeiten, sagte man von einem Soldaten, daß er in seinem Regiment diene. Eine Ausnahme machte die Garde: Der Gardist „stand” bei seinem Regiment.

Eines Tages kam nun ein Gardereservist nach Gouley und bat um Arbeit. „Was haben Sie denn früher gemacht?” fragte Betriebsführer Hirtz.

„Ich war bei der Garde, Herr Betriebsführer, habe zwei Jahre in Berlin gestanden!”

„So”, meinte der Betriebsführer und zog einen Stuhl heran, „dann nehmen Sie doch erst mal Platz. Sie müssen vom vielen Stehen doch jetzt ziemlich müde sein!"

Liebeslohn

Die Fastnachtstage beginnen mit dem „Altweiberdonnerstag”. Die Frauen bestimmen das Geschehen. Schon morgens um elf Uhr verlassen sie ihr Haus und ziehen durch die Straßen des Ortes. Viele verkleiden sich, tragen eine Maske vor dem Gesicht und einen losen schwarzen Umhang, so daß sie nicht erkannt werden. Mit verstellter Stimme necken sie die Männer, die ihnen begegnen, und feiern in den Gaststätten bis in den späten Abend, ja bis in die Nacht hinein.

Nach der Mittagschicht beschlossen einige Bergleute, vor dem Nachhauseweg noch ein Bier in einer Gaststätte zu trinken. Dabei gerieten sie in den Fastnachtstrubel und genossen sichtlich, daß eine Gruppe von verkleideten Frauen sich besonders um sie kümmerte. Zur Musik eines Plattenspielers tanzte man miteinander, trank sein Bier und war froher Dinge.

Ein „Altes Weib” hatte es dem Peter angetan. Der vergaß mit der Zeit immer mehr den ehelichen Treueschwur und bat schließlich die verkleidete Frau um einen Liebesdienst. Die zeigte sich sofort bereit, stellte aber Bedingungen. So versprach Peter, ihr die Maske nicht abzunehmen, ihre Verkleidung zu akzeptieren, niemandem von ihrer Bereitschaft zu erzählen und einen Betrag von fünf Mark zu zahlen. Dann begab man sich vor die Gaststätte und suchte einen versteckten Winkel auf. Hier tauschte man die zugesagten Zärtlichkeiten.

Nach Erfüllung der gegenseitigen Wünsche hob die Frau das Tuch ihrer Halbmaske, küßte den Peter herzhaft und verschwand. Peter ging in die Gaststätte zurück. Er war um ein Erlebnis reicher und um einen Geldbetrag ärmer. Seine Kameraden hatten das Lokal schon verlassen, und auch Peter machte sich auf den Heimweg.

Leise schlich er in das Schlafzimmer, legte sich schuldbewußt in sein Bett und hörte dem ruhigen Atmen seiner schlafenden Frau zu. Dann schließlich schlief er selbst ein.

Als Peter am Morgen aufstand, war der Frühstückstisch reicher gedeckt als sonst. Frische Brötchen, Wurst und Schinken standen auf dem sonst kärglicheren Tisch. Bohnenkaffee duftete durch das ganze Haus. Als Peter Platz nahm, schlug seine Frau drei Eier in die Pfanne und briet sie allein für ihn. Peter staunte Bauklötze, ohne ein Wort zu sagen, wog er seinen Kopf hin und her. Dabei schaute er seine Frau fragend an. Die gab dann zur Erklärung: „Jestere hat mich en de Wietschaff enne Keäl jepütsch. För fönnef Mark hann ich dämm jätt fummele losse. Wat ich do verdent hann, do sollst du och jätt va hann!”*

*) Gestern hat mich in der Wirtschaft ein Kerl geküßt. Für fünf Mark habe ich den etwas fummeln lassen. Was ich da verdient habe, davon sollst du auch etwas haben.

Gartentore

Übertägig gehörten zu jeder Grube eine Schlosserei, eine Schmiede und auch eine Schreinerei. Hier arbeiteten Fachleute für den allgemeinen Grubenbedarf. So wurden Maschinen repariert, Bohrkronen geschliffen, Pickhammerspitzen ausgeschmiedet und geschärft, aus Winkel- und U-Eisen Konsolen geschweißt und vieles mehr. In der Schreinerei fertigte man die Rahmen für den Ausbau der Blindschächte aus dicken Eichenbalken, Böcke für die Rollenlager der Gurtbänder wurden gezimmert, aber auch Regale wurden gebaut, Schränke repariert, Türen geschreinert usw.

Auf der Grube Maria ließ sich der Betriebsführer aus gehobelten Latten ein neues Törchen für seinen Garten schreinern. Der Schreinergeselle und ein Lehrling trugen das Werk und die beiden Pfosten, die das Lattentor halten sollten, nach Schicht zum Haus des Betriebsführers. Ein kurzes „Das Törchen ist für den Chef!” zum Grubenpolizisten an der Markenkontrolle gab ihnen den Weg frei.

Der Ortsälteste Fritz ging zufällig mit den Leuten seines Drittels zur gleichen Zeit durch die Markenkontrolle. Vor dem Verwaltungsgebäude der Grube sprach er den Schreiner an und bestellte nach einem kurzen, freundschaftlichen Gespräch für eine Flasche Korn ein Törchen für seinen Garten. „Der Grubenpolizist wird mich schon passieren lassen, wenn ich das Ding nach Hause trage”, meinte er schmunzelnd.

Nach einer Woche kam der Bescheid, daß die bestellte Ware in der Schreinerei abzuholen sei. Der Tausch „Korn” gegen ein Gartentor geschah ohne große Worte. Seinen Kameraden Otto bat der Ortsälteste, die beiden Pfosten zu tragen. Er selbst schulterte das Gartentor. Dem aufmerksamen Grubenwachmann an der Markenkontrolle schmetterte Fritz selbstbewußt entgegen „Das Tor ist für den Chef!” und ging weiter. Es verlief alles so selbstverständlich und einfach, daß auch Otto sich am nächsten Tag zum gleichen Preis in der Schreinerei ein Gartentor bestellte. Ein „Das Törchen ist für den Betriebsführer!” gab auch ihm den Weg an der Markenkontrolle frei. Ein drittes und viertes Gartentor besorgten sich die anderen Bergleute der Arbeitsgruppe.

Der gemeinsame Erfolg ließ die Kameradschaft der Bergleute zueinander wachsen. Sie hatten schon vor Schichtbeginn in der Waschkaue ausreichend Gesprächsstoff. Hinter vorgehaltener Hand berichteten sie stolz den anderen Bergleuten von ihren Aktionen. Überrascht waren die Kameraden des Drittels, das vierte Gartentor hatte man erst vor zwei Tagen ohne Schwierigkeiten nach Hause getragen, als ihnen plötzlich an der Markenkontrolle aufgegeben wurde, sich nach Schichtende beim Betriebsführer zu melden. Da sank ihnen der Mut. Bedrückt leisteten sie ihre gewohnte Arbeit vor Ort. Sie ahnten, ja sie wußten den Grund, weshalb sie zum Betriebsführer bestellt waren. Es gab eine Vielzahl von Strafen, die ihnen auferlegt werden konnten. Besonders eine Kürzung ihres Lohnes fürchteten sie.

Nach der Schicht versammelten sie sich vor dem Büro des Betriebsführers. Sie klopften an und betraten gemeinsam den Raum. Fritz hatte es als ihr Ortsältester übernommen, die Angelegenheit zu erklären und um eine milde Strafe zu bitten. Der Ortsälteste hatte nach dem gemeinsamen „Glückauf” noch keinen Halbsatz gesprochen, da unterbrach ihn der Betriebsführer mit einem kurzen „Schweig!” Langsam kam er dann auf die Bergleute zu und sah sie streng an. Jeden Moment erwarteten die Bergleute das gerechte Donnerwetter. Da drehte der Betriebsführer sich um, ging zum Fenster und schaute hinaus. Eine Ewigkeit schien es den Bergleuten zu dauern, bis sie vom Fenster her hörten: „Ich habe jetzt genug Gartentore! Verstanden?! Macht, daß ihr hinauskommt! Glückauf!”

Aber bitte ganz langsam!

Beim Auffahren von Strecken untertage wird die Richtung von der Markscheiderei genau angegeben. Früher wurden dafür in der Streckenfirst zwei Schnüre angebracht, die mit einem Gewicht beschwert und mit einem Abstand von etwa zehn Metern zueinander in den Streckenquerschnitt hingen.

Waren die „Senklote” herabgelassen und gab jemand, die beiden Schnüre anpeilend, die Richtung für den Streckenausbau an, sagte man in der bergmännischen Fachsprache: „Er gibt die ,Stunde' an!” oder auch: „Er schaut durch die ,Stunde'.” Standen die Baue gerade ausgerichtet, hieß es: „Die ,Stunde' stimmt.”

In der Frühschicht kam der Markscheider und bat den Drittelsführer, ihm einen Mann zur Hilfe zu geben, um mit diesem die „Stunde” neu einzurichten. Der Hauer Karl ging mit. Etwa zehn Meter zurück kletterte er auf einen Förderwagen, so daß er mit seiner Hand bis zur Streckenfirst reichte. Auf Anweisung des Markscheiders hielt er eine Schnur an die Streckenfirst, die, mit einem Stein beschwert, als „Stunde” dienen sollte. Weitere etwa 20 Meter zurück schaute der Markscheider durch den Theodoliten, seinem Spezialgerät, und wies den Hauer Karl an, den Befestigungspunkt für die neue „Stunde” zu suchen. Dabei entwickelte sich folgender Dialog:

„Bitte etwas weiter nach rechts! - Aber ganz langsam!”

„Verstanden!”

„Halt! - Bitte noch etwas nach rechts! - Aber ganz langsam!”

„Verstanden!”

„Halt! - Das war zuviel! - Bitte etwas nach links! - Aber ganz langsam!”

„Verstanden!”

„Halt! - Wieder etwas nach rechts! - Aber ganz langsam!”

„Verstanden!”

„Halt! - Jetzt bitte wieder zurück, etwas nach links! - Aber ganz langsam!”

Da war es dem Hauer Karl genug. Er riß die „Stunde” von der Streckenfirst, sprang vom Wagen herab und rief: „Leck mich am Arsch! - Aber - bitte - gaaaanz - langsam!" Dann ging er ruhig an seine Arbeit vor Ort und ließ den verdutzten Markscheider stehen.

Es stinkt fürchterlich

Christian war ein Schlosserlehrling im dritten Lehrjahr. Stolz war der Lehrling darüber, daß er schon selbständig Arbeitsaufträge erhielt, die er gewissenhaft und zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ausführte. Die Anna-Kokerei war sein großer Arbeitsbereich. Es gab viele Maschinen, die zu warten und gegebenenfalls zu reparieren waren. Auch mußten Gleise ausgebessert werden; an den Rohren, die Kokereigase abführten, Wasser, Dampf oder Preßluft zu den einzelnen Betriebspunkten brachten, waren oft Reparaturen nötig.

In dem Gewirr der Rohre fand sich Christian nur schwerlich zurecht. Dafür mußte man besondere Fachkenntnisse besitzen. Einmal bekam er den Auftrag, über Schichtwechsel einen Rohrkrümmer auszubauen und einen neuen Krümmer einzubauen. Den ordnungsgemäßen Abschluß seiner Arbeit sollte er dem Steiger der folgenden Schicht mitteilen.

Christian arbeitete über zwei Stunden. Dann ging er in das Büro des Steigers und berichtete von seinem Auftrag und von seiner Arbeit:

„Ich war hinten an dem großen Gebäude. Dort endet ein Rohr. Heraus kommen stinkende und schluffige Materialien, die in einen Behälter fallen. Es stinkt dort fürchterlich. Ich habe den Behälter zur Halde fahren lassen. Dann habe ich, so war mir aufgetragen, den Rohrschieber geschlossen und den Krümmer gewechselt. Der Behälter steht jetzt wieder unter dem Rohr. Den Schieber habe ich geöffnet. Das Zeug kommt wieder heraus. Es stinkt auch wieder so fürchterlich.”

Der Steiger hörte aufmerksam zu, lobte den Christian und sagte: „Wenn du do jewerk hass on wenn dat esu stonk, dann moß dat bestemmt et Fottlauch van de Kull jewäß senn.”*

*) Wenn du da gearbeitet hast und es so stank, dann muß das bestimmt das Arschloch der Grube gewesen sein.

Wir wohnen nicht mehr da!

Auf der 46-Meter-Sohle fuhr man eine Richtstrecke auf. In der Frühschicht wurde regelmäßig das feste Gestein gesprengt. Als Ortsältester war dafür ein Schießmeister, so nennt man den für Sprengarbeiten besonders ausgebildeten Bergmann, eingesetzt. Ihm halfen während der Schicht zwei Hauer und ein Schlepper. Der Schlepper war erst seit einem halben Jahr im Bergbau beschäftigt. Besonders beim Laden und Besetzen der Bohrlöcher war dieser Mann sehr neugierig, er erfragte alles, ließ sich alles erklären, wiederholte dabei sogar manche Frage und gab sich mit einer kurzen Antwort nicht zufrieden. So gaben der Schießmeister und die beiden erfahrenen Bergleute zuerst bereitwillig genaue Auskunft, mit der Zeit wurden ihre Erklärungen umfangreicher. Sie schmückten ihre Antworten so aus, daß Münchhausen seine Freude daran gefunden hätte.

Der Schlepper nahm einzelne Gegenstände mit nach Hause, um dort seiner Frau und seinen Kindern von der Untertage-Arbeit und vom Bergbau insgesamt erzählen zu können. Gewissenhaft gab er in der nächsten Schicht die Teile wieder zurück. Beil und Hacke wurden so für einen Tag ausgeliehen, die Kabelrolle des Schießmeisters war pünktlich wieder zur Stelle. Die Verpackungen der Sprengstoffpakete sammelte der neugierige Schlepper, um sie zu Hause zu zeigen, die dünnen Zünderdrähte, die nach der Sprengung im losen Gestein lagen, rollte er sorgfältig auf und verstaute sie in seinen Taschen. Der Schießmeister ließ aber nicht zu, daß er Sprengstoff mitnahm. Doch der Schlepper überredete den sonst so gewissenhaften Ortsältesten, ihm eine Zünderkapsel anzuvertrauen. Mit Ehrfurcht betrachtete der Schlepper den bleistiftdicken Zünder und wickelte das glänzende, etwa daumenlange Kupferteil in sein Taschentuch.

Am nächsten Tag forderte der Schießmeister das gefährliche Teil zurück. Doch der Schlepper hob die Schultern und sagte: „Ich habe den Zünder nicht mehr. Er ist explodiert. Als ich allein in der Wohnung war, probierte ich das Ding aus. Ich habe den Zünder ins Herdfeuer geworfen und bin dann schnell auf den Hof gelaufen.” Alle schauten den Schlepper fragend und auch erschrocken an. Da fuhr er fort: „Wir wohnen nicht mehr da, wir sind jetzt zu meiner alten Tante gezogen.”

Angina

Wiederholt fehlte an Montagen der Bergschüler Jochen im Unterricht. Dem Bergschuldirektor, der montags selbst in den ersten Stunden den Unterricht erteilte, blieb die fast regelmäßige Abwesenheit des Schülers nicht verborgen. Streng sprach er bei der nächsten Gelegenheit den Jochen an: „Sie sind ein junger und kräftiger Mann. Ein liederliches und sorgloses Leben bringt sie nicht weiter. Fleiß und Pünktlichkeit sind gefragt. Das bringt den Menschen Erfolg. Sagen Sie mir, wo waren Sie am vergangenen Montag? Sie fehlen montags häufig und versäumen den Unterricht!” Der Bergschüler gab zur Antwort: „Ich bin noch Junggeselle. An den Wochenenden nutze ich die Gelegenheit und gehe in ein Lokal, um dort zu tanzen. Wenn ich dann spät durch die kühle Abendluft nach Hause gehe, hole ich mir regelmäßig eine kräftige Angina. Diese Angina bewirkt, daß ich im Bett bleiben muß, daß ich es einfach nicht schaffe, nicht mehr die Kraft habe, so früh aufzustehen.” Der Bergschuldirektor zurück: „Tanzen gehen Sie? Eine kräftige Angina holen Sie sich? Mir ist es egal, ob Sie sich eine kräftige Angina oder eine dünne Christina holen! - Sie werden ab sofort regelmäßig den Unterricht besuchen!"

Ölersatz

Zum Abtransport der Kohle in den Streben wurden früher Schüttelrutschen eingesetzt. Die mit Preßluft betriebenen Motoren dieser Rutschen waren zwar robust, bedurften aber einer besonderen Pflege. So mußte dem Kolben des Motors ständig mit der Preßluft Öl zugeführt werden. Fehlte das Öl und wurde die Reibung innerhalb der Maschine zu groß, dann blieb das Gerät einfach stehen. Nichts bewegte sich mehr. Schimpfen und Fluchen setzten dann bei den Bergleuten ein, denn sie mußten, um ihren Lohn zu erhalten, die vorgegebene Menge Kohle fördern.

Wieder einmal stand im Abbaurevier der Schüttelrutschenmotor still. Der Steiger war sofort zur Stelle. Man hatte versäumt, den nötigen Vorrat an Schmieröl mit in den Streb zu nehmen. Besonders deshalb war der Steiger böse und schimpfte laut. Wie schon oftmals vorher mit Erfolg probiert, schüttete er in den Ölbehälter des Motors aus seiner Kaffeepulle das kostbare Getränk. Das Ventil der Preßluftzufuhr wurde wieder geöffnet. Doch es half nicht! Auch das dann folgende Repertoir an Flüchen und Beschwörungen ließen den Motor keinen Muckser machen.

Ganz verzweifelt nahm der Steiger seine Brote, die ihm seine Frau so liebevoll mitgegeben hatte, warf sie mit aller Wucht gegen den Motor und rief: „Du hass minge Kaffe jesaufe, dä, dann freiß och ming Botteramme!”*

*) Du hast meinen Kaffee gesoffen, da, dann friß auch meine Butterbrote!

Mutterholz

Der Ausbau der Strecken und Strebe erfolgte früher ausnahmslos in Holz. Die nötigen Stempel als Rundhölzer und die Kappen als Halbhölzer wurden in großen Mengen nach untertage befördert. Beim Zurechtsägen der Grubenstempel fiel oftmals ein Holzstück ab, das die Bergleute als Feuerholz mit nach Hause nahmen. Dieses „Mutterholz” wickelte man nach Schicht in sein Handtuch und nahm es, meist von der Grubengesellschaft geduldet, mit auf den Heimweg.

Mitunter gaben sich die Bergleute mit dem Abfallholz nicht zufrieden. Sie sägten mitten aus einem Stempel ein astfreies Stück heraus, das zu Hause mit dem Beil leichter zu spalten und so besonders als „Anmachholz” geeignet war. Grubenpolizisten und Aufsichtsbeamte kontrollierten deshalb gelegentlich, was da als „Mutterholz” von der Grube mit zum häuslichen Herd genommen wurde.

Einmal hatte eine Frau ihrem übertage beschäftigten Mann das Essen zur Grube gebracht und offensichtlich mit einem unter der Schürze verborgenen Stück Holz den Heimweg angetreten. Der Obersteiger begegnete ihr und fragte: „Frau, watt hat err do onger dr Schötzel?”* Die so ertappte Frau faßte sich schnell und antwortete: „Ich denk, dat sälve, wat üng Frau och dronger hat!”**

*) Frau, was habt ihr da unter der Schürze?
**) Ich denke, dasselbe, was eure Frau auch darunter hat!

„Kull futt”

Die geologischen Verhältnisse auf Carl-Friedrich in Richterich waren besonders schwierig. Doch, so erzählen alte Bergleute, waren der Fleiß der Kameraden groß und die Ergiebigkeit, die Fördermenge, ausreichend.

In der Kriegs- und Nachkriegszeit war es für die Betriebsführung schwierig, die nötigen Grubenmaterialien zu bekommen. So herrschte ein großer Mangel an Holz für den Strecken- und Strebausbau, an Maschinen, an Werkzeug und an Materialien aller Art.

Diese Not spiegelte sich auch in den Bergmannsfamilien wider. Es herrschte in den Häusern Knappheit an allen Dingen. Von daher ist es erklärlich, daß der einzelne Bergmann von der Grube mit nach Hause nahm, was er benötigte. Das verschärfte die Situation auf der Grube. Ein geordneter Betrieb war nicht mehr möglich, die kleine Grube stellte die Förderung 1927 ein.

„Werr hant os Kull kapott jeklaut”*, bekannte ein Richtericher Bergmann seinem Kameraden auf dem sonntäglichen Spaziergang. „Ävver och dr Betriebsführer! Wenn du för dämm sie Huus stehst on röffs ,Kull futt!', dann es do at wörrem en We.”**

*) Wir haben unsere Grube kaputt geklaut.
**) Aber auch der Betriebsführer! Wenn du vor dessen Haus stehst und rufst „Grube weg!”, dann ist dort wieder eine Wiese!

Das Versprechen

ie leichten Benzinlampen gaben ein spärliches Licht. Endlich erhielten die Bergleute im Wurmrevier hellere, elektrische Lampen. Die Batterie hatte die Form eines schmalen hohen Topfes, auf diesem „Pott” saß als Kopf die Glühbirne, ummantelt von einem dicken Schutzglas. Am Lampenfuß und auch am Lampenkopf waren in Messingblechen die Markennummer des Bergmannes angebracht. Daran konnte jeder seine Lampe erkennen. Über fünf Kilogramm schwer war eine „Pottlampe”, die jeder am Lampenhaken während der Schicht bei sich trug.

Auf der 460-Meter-Sohle war der Halbinvalide Willi eingesetzt. Ihm halfen zwei Jungbergleute, den Streckenausbau zu reparieren. Willi war ein Filou, keiner war vor seinen Streichen sicher. Als seiner Kolonne der Schwager des Reviersteigers zugeteilt wurde, mußte Willi versprechen, ihn mit seinen Streichen zu verschonen. „Über mich wirst du dich nicht zu beklagen brauchen. Ich werde dir nichts tun und deine Sachen nicht berühren!” beteuerte Willi im Beisein des Steigers.

Es war kurz vor Schichtende, man räumte die Arbeitsstelle auf und verstaute das Gezähe. Der Neue wollte gerade Hammer und Meißel in die Gezähekiste legen. Da sagte Willi leise zu ihm: „Zeig mal, was du kannst! - Sei aber ganz still! Dort steht die ,Pottlampe' deines Kameraden; nimm sie, lege den Lampenhaken auf die Schiene und schlag' ihn mit dem Meißel ab! - Der wird sich wundern, wenn er nachher seine Lampe nimmt. - Ich werde dich nicht verraten!” Folgsam nahm der Neue die bezeichnete Lampe, legte den Haken auf die Schiene und trennte diesen mit drei kräftigen Hammerschlägen auf den Meißel von dem Geleucht ab. Bevor man die Jacken angezogen und den letzten Schluck aus der Kaffeepulle getrunken hatte, um sich auf den Weg zum Schacht zu machen, kam der Steiger.

„Alles in Ordnung?” fragte er und schaute Willi dabei an. Der nickte. „Dann können wir gemeinsam zum Schacht gehen”, fuhr der Steiger fort. Die Bergleute nahmen jetzt ihre „Pottlampen”, dabei kontrollierten sie mit einem Blick auf die eingelassenen Markennummern, daß sie auch wirklich ihre Lampe mit zum Schacht nahmen. - Da merkte der Neue, daß an seiner Lampe der Haken fehlte. „Ich habe mein Versprechen gehalten, habe ihm nichts getan und seine Sachen nicht berührt!” wandte sich Willi unschuldig zum Steiger. Versöhnlich sagte Willi dann zu, nach dem Duschen in der Kaue bei einem Glas Bier in einer Gaststätte alles zu besprechen.

Ohne Licht

Auf den Gruben des Reviers waren früher Pferde dienstbare Helfer. Sie zogen die mit Kohle beladenen Wagen zum Schacht und brachten leere Förderwagen nach „vor Ort”. Von Pferdejungen geführt, leisteten sie treu ihre Schicht. In Schachtnähe waren Pferdeställe eingerichtet. Die Tiere wurden hier mit aller Sorgfalt gepflegt und gefüttert. Sie waren Helfer und Kameraden der Bergleute.

lm Revier stockte die Förderung. Die nötige Anzahl von beladenen Wagen war noch nicht angesammelt. Bis zur nächsten Fahrt zum Schacht konnte der Pferdejunge eine Pause einlegen. Er band deshalb sein Pferd an und setzte sich etwas abseits an den Streckenstoß. Dabei deckte er sein Grubenlicht ab und schloß selbst für die kurze Pausenzeit die Augen. Das Grubenpferd stand ruhig im Dunkel der Strecke und schnaubte leise.

Schon über die ganze Schicht flackerte immer wieder das Grubenlicht des Hauers Martin. Auf dem Weg zum Schacht erlosch die Lampe gänzlich. Alles Schütteln und Probieren nutzte nichts, der Bergmann stand ohne Licht allein im Querschlag und mußte sich stolpernd, an den einzelnen Bauen der Strecke vorbeitastend, gegen den Wetterstrom zum Schacht hin bewegen. Das ging nur Schritt für Schritt, wenn der Hauer nicht Gefahr laufen wollte hinzufallen.

Da verspürte Martin eine wohlige Wärme vor sich und hörte das leise Schnauben eines Grubenpferdes. Noch einen Schritt, und er berührte das Pferd. Der Hauer klopfte mit der flachen Hand dem Tier erleichtert und auch tröstend auf den breiten Schinken und sagte: „Kamerad, hass du och ke Lett?”*

*) Kamerad, hast du auch kein Licht?

Pferdedurst

Jeder weiß, daß die Bergleute gern Alkohol tranken. Gegen den übertriebenen Genuß des Alkohols überlegten selbst die Bergwerksgesellschaften Maßnahmen, es wurden sogar Strafen angedroht. Manch häuslicher Streit wurde deshalb verursacht, weil der als Bergmann tätige Familienvater einen großen Teil des Lohnes in Schnaps oder Bier umsetzte. Und oftmals verarmten Familien, weil das nötige Geld für Nahrungsmittel und Kleidung dadurch fehlte.

Die Bergleute selbst zeigten gegenseitiges Verständnis für ihre Trinkfreudigkeit. Auch die Grubensteiger und alle Aufsichtspersonen bis zum Betriebsführer waren letztlich Bergleute und tranken ihren Schnaps nach einer anstrengenden Schicht.

Wieder einmal wartete die Frau eines Kohlenhauers auf ihren Mann, der, wie sie annahm, nach der Schicht in seine Stammkneipe eingekehrt war und dort mit einigen Kameraden sein Bier trank. Ärgerlich machte sie sich auf den Weg, ihren Mann aus der Gaststätte zu holen. Unterwegs besann sie sich aber, ging an dem Wirtshaus vorbei zur Grube, um sich dort zu beschweren und um Hilfe zu bitten. In der Lichthalle der Grube steuerte sie sofort auf die Schalter des Steigerbüros zu. Dort traf sie auch den Steiger ihres Mannes. Ihm schilderte sie vorwurfsvoll ihre Sorgen und bat, ihren Mann doch anzuhalten, das maßlose Trinken zu lassen. Der Steiger hörte der Frau aufmerksam zu und gab dann zur Antwort: „Jank märr no heem! Ich spreich met dinge Keäl. Ävver, wä werke kann wie e Peäd, de darf och suffe wie e Peäd!”*

*) Geh nach Hause. Ich spreche mit deinem Kerl. Aber, wer arbeiten kann wie ein Pferd, der darf auch saufen wie ein Pferd!

Schnaps für die Eweigkeit

Um die begonnene Arbeit fertigzustellen, hatte das Streckendrittel mit dem Ortsältesten Fritz über das Schichtende hinaus länger gearbeitet. Schließlich war man soweit und machte sich auf den Weg zum Schacht. Unterwegs kam ihnen der Fahrsteiger entgegen, der sich nach dem Stand der Arbeit erkundigte. Auch fragte er, ob man gute Arbeit geleistet habe und ob der eingebrachte Ausbau nach bergmännischen Regeln gesetzt sei.

Dabei zeigte er stolz auf die Baue des Querschlages, der in Holz ausgebaut war. „Seht euch mal diese Stempel und Kappen an. Die habe ich vor vielen Jahren als Hauer gesetzt, die halten ewig ...!” Und etwas leiser fügte er hinzu: „Wenn sie nicht vorher brechen.”

Da gab ihm der Ortsälteste Fritz, der wegen seiner Schlagfertigkeit in der Grube bekannt war, zur Antwort: „Fahrsteiger, geben Sie mir einen Liter Schnaps. Der hält auch ewig...!” Und leiser: „Wenn ich net dra jonn!”*

*) Wenn ich nicht daran gehe!

Pumpenwasser

In den Bergabeitersiedlungen des Reviers gab es früher noch keine Wasserleitungen. In den Wohnbezirken standen Pumpen. Hier holten die Familien ihr Trink- und Waschwasser.

Nach der Nachtschicht kam eines Morgens der Kumpel Anton, ein fleißiger Bergmann der Grube Adolf in Merkstein, nach Hause. Es regnete in Strömen. Anton war ganz durchnäßt. Seine Frau war gerade aufgestanden und hatte den Kaffee noch nicht gekocht, denn im Hause war kein Wasser. Sie hatte es noch nicht von der Pumpe geholt. Als sie ihren Mann sah, gab sie ihm den Eimer und sagte: „Du bist sowieso naß, geh du doch eben zur Pumpe Wasser holen!” Anton sah seine Frau erstaunt an, nahm dann den Eimer, und ohne ein Wort drehte er sich um und ging los. Er trabte durch den Regen, und sein Ärger wuchs mit jedem Schritt.

In der Küche hatte seine Frau inzwischen das Feuer angezündet. Da kam Anton zurück von der Pumpe. Kurz entschlossen schüttete er den ganzen Eimer über seine Frau aus und sagte dann gelassen: „Du bist ja sowieso naß, geh also selbst zur Pumpe und hole das nötige Wasser!”

Angeln und Zugucken

Um seiner Leidenschaft zu frönen, marschierte der Bergmann Franz regelmäßig von Merkstein zum Alsdorfer Weiher und angelte dort. Hier stand er unbeweglich wie eine Statue und hielt die Angel in der Hand. Als eines Morgens ein Kamerad vorbeikam, erkannte der den Franz und rief ihm erfreut „Glückauf” und „Petri-Heil” zu.

„Psst!” sagte Franz, „nicht so laut, sonst beißen die Fische nicht an!” Der Kamerad verstummte, hockte sich neben Franz ins Gras und schaute zu. Kein Fisch biß an. Die Sonne stieg immer höher. Noch immer hatte kein Fisch den Angelhaken gefunden. Als es schließlich bald Mittag war, meinte der Kamerad: „Franz, sag mal, gibt es eigentlich etwas Blöderes als Angeln?” „Ja”, antwortete Franz bissig, „das Zugucken!”

Liebesgeflüster

Im Schatten des Förderturmes von Anna II befanden sich drei große Tanzlokale. Besonders an Samstagen herrschte hier reger Betrieb. Aus allen umliegenden Orten kam man zur „Bäzzhäck” und feierte. Auch für die Männer des Ledigenheimes war das eine willkommene Abwechslung an den Wochenenden.

Die Schachthauer waren beauftragt, in der Nachtschicht Reparaturarbeiten im Eduard-Schacht durchzuführen. Dicke, lange Rundhölzer holten sie vom Holzplatz der Grube, um damit eine Arbeitsbühne im Schacht zu legen. Je zwei Mann trugen ein Holz. Als man wieder auf den Platz zurückging, um nochmals Rundhölzer zu holen, nahm man den Weg am Grubenzaun vorbei. Direkt hinter dem hohen, dichten Lattenzaun befanden sich die Gärten der Wohnhäuser.

Als die Schachthauer das Lachen einer Frau hinter dem Zaun vernahmen, gingen sie neugierig näher. Ganz leise verhielten sie sich. Ein Pärchen hatte sich wohl vom Tanzlokal in den ihnen fremden Garten geschlichen und saß jetzt direkt am Grubenzaun auf der Gartenbank. Es war den Schachthauern ein Vergnügen, unbemerkt dem Liebesgeflüster des Paares zu lauschen und die Küsse zu hören.

Plötzlich schlägt der junge Schachthauer Jupp mit dem Fuß gegen den Lattenzaun, daß fast zwei der Latten brechen, und ruft in Richtung der beiden Liebenden: Morje träck ich no ming Modder, Lies, die schmiert mich och de Botterramme on jitt mich ming Zupp. Du hass dann mieh Zitt för ze feijje!”*

*) Morgen ziehe ich zu meiner Mutter, Lisa, die schmiert mir auch meine Butterbrote und gibt mir meine Suppe. Du hast dann mehr Zeit zum Freien.

Die Hermelinchenfalle

Diese Geschichte trug sich vor vielen Jahren auf der Grube Maria-Hauptschacht zu: Das Fränzchen war ein ganz netter Kerl, aber furchtbar neugierig. Alles wollte er genau wissen. So fragte er dann auch eines Tages den Schlosser Jupp, der mit einem verbundenen Finger zur Arbeit kam:

„Watt hass du dann, Jupp?”*

„Och”, antwortete Jupp, „da hat mich ein Hermelinchen gebissen.” Das wollte Fränzchen nicht glauben. „Halve Jeck**, wie kommen die denn nach untertage?”

„In den Holzwagen beim Sägemehl!” sagte Jupp.

Fränzchen überlegte. Ja, das konnte immerhin sein. So konnte wohl mal ein Hermelinchen nach untertage geraten.

Am nächsten Tag brachte er eine Falle mit. In Gegenwart mehrerer schadenfroh grinsender Kameraden stellte er sie auf. Und damit die Falle von dem gefangenen Tier nicht weggeschleppt werden konnte, befestigte er sie mit einer Kette am Stempel.

Nach drei Tagen guckte Fränzchen nach. Natürlich, da war doch was...? Er machte die Klappe der Falle auf. Zum Vorschein kam aber kein Hermelinchen, sondern ein fetter Hering mit einer Zwiebelscheibe am Schwanz. Fränzchen machte ein verdutztes Gesicht, war aber gleich wieder Herr der Situation und sagte feierlich: „Das Hermelinchen wird direkt gefressen!”

Sprach’s und aß den Hering auf.

*) Was hast du denn, Jupp?
**) Halber Narr'...

Die neue Eisenbahn (nach Hein Küsters)

Zum Abtransport der geförderten Kohlen der Anna-Gruben wurde eine Eisenbahn zwischen Stolberg über Alsdorf nach Herzogenrath gebaut. Die Planungsarbeiten waren abgeschlossen, die Grundstücksverhandlungen mit den Eigentümern begannen. Schnell wollte man die entsprechenden Landflächen in den Besitz der Gesellschaft übernehmen, um den Start zu den eigentlichen Bauarbeiten freizugeben.

Ein Bauer wollte aber von seinem großen Hausgarten keinen Quadratmeter verkaufen. Die Verhandlungen mit ihm stellten sich als äußerst schwierig heraus. Letztlich wurde ihm ein Entgelt angeboten, mit dem der Bauer dann zufrieden war. Der Bauer hatte selbst in seinem Leben noch nie eine Lokomotive gesehen. Er wußte aus den Verhandlungsgesprächen, daß Schienen über sein Land gelegt würden, um darüber Züge mit Kohlenwagen in die nächste Stadt zu fahren. Als die Verkaufspartner das abgeschlossene Geschäft mit einem Handschlag besiegelten, kratzte sich der Bauer den Bart und sagte zu den Vertretern der Gesellschaft: „Dat es jo alles jott on schönn, ävver ich kann net jeddesmol, wenn enne Zoch kött, et Jaadepöötzje opmaache on hengerher zomaache.”*

*) Das ist ja alles gut und schön, aber ich kann nicht jedesmal, wenn ein Zug kommt, das Gartentor öffnen und hinterher wieder schließen.

Hier spricht der Heiland

An Sonntagen versah nur ein Fördermaschinist seinen Dienst. Er bediente die große Fördermaschine nur für wenige Bergleute, die wegen nötiger Maschinenreparaturen oder dringender Sicherungsarbeiten einfahren mußten. Mit dem Grubentelefon verständigte man sich von den einzelnen Schachtsohlen aus mit dem Fördermaschinisten und ließ sich nach verrichteter Arbeit wieder mit dem Förderkorb ans Tageslicht ziehen. Einmal schlich sich von der Reparaturkolonne ein Lehrhauer an das Schachttelefon, nahm den Hörer ab und wählte. Am anderen Ende meldete sich der Fördermaschinist. Verdutzt vernahm er aus dem Hörer die quäkende Stimme: „Hier spricht der Berggeist. Sag einmal, scheint dort oben die Sonne?” Verärgert gab der Maschinist einen Fluch von sich und legte den Hörer auf.

Ein paar Minuten später läutete beim Fördermaschinisten das Telefon wieder: „Hier ist der Heiland. Ich bin fertig zum Ausfahren.” Wütend brüllte jetzt der Maschinist in die Sprechmuschel: „Wenn du der Heiland bist, dann hilf dir gefälligst selber!”

Kurz darauf meldete sich der Heiland wieder beim Fördermaschinisten: „Hier spricht der Grubenelektriker Heiland. Das ist mein Familienname, merk' ihn dir gefälligst und laß in Zukunft solche Scherze bleiben! - Ich möchte ausfahren. Wenn ich oben bin, komme ich bei dir vorbei.”

Diesmal war der Fördermaschinist der Gelackmeierte. Er entschuldigte sich beim „Heiland” und nahm sich vor, in Zukunft etwas geduldiger zu sein.

Ein bißchen Arbeit

Jupp trieb sich gerne in den Wirtschaften des Ortes herum, er war überall als Faulpelz bekannt. Einmal entschloß er sich doch, auf der Grube Adolf um Arbeit nachzufragen. Er machte sich also auf den Weg und klopfte mutig beim Betriebsführer an. Dort wollte er wissen, ob Leute eingestellt würden. Der Betriebsführer winkte aber sofort ab, denn er kannte den Faulpelz gut. Darauf zog Jupp die Schultern hoch, machte ein trauriges Gesicht und meinte ganz unschuldig: „Leve Herr Betriebsführer, för dat beßje, wat ich donn, wädd sich doch wahl jätt fenge losse!”*

*) Lieber Herr Betriebsführer, für das bißchen, was ich tue, wird sich doch wohl etwas finden lassen!

Der Dichter

Ein neuer Steiger hat Emils Revier übernommen. Der Steiger macht seine erste Runde. Emil arbeitet allein in der Kopfstrecke. Als der Steiger kommt, fragt er Emil: „Sag, bist du Hauer?” „Ne, ich bin Dichter!” - „So”, sagt der Steiger, „ein Dichter in meinem Revier. Und was hast du bisher gedichtet?” Emil antwortet trocken: „Hier, die ganzen undichten Stellen in der Preßluftleitung!”

Betriebsführer Wirtz

In der Nähe der Siedlung Busch in Richtung Merkstein lag die Grube Nordstern. Die Schächte der Grube wurden in einem damals neuen Bohrverfahren abgeteuft. Dabei zog man die losen Berge in einem großen Ledersack, einem Beutel, ans Tageslicht. Die Grube erhielt so im Volksmund den Namen „dr Büll”.

Alfons war über längere Zeit arbeitslos und entschloß sich endlich, auf der Grube Nordstern um Arbeit nachzufragen. Morgens in aller Frühe, es war noch dunkel, ging er an der Bahnlinie vorbei von Alsdorf in Richtung Nordstern. Unterwegs traf er auf einen anderen Kumpel und grüßte freundlich mit einem „Glückauf”. Alfons versuchte ein Gespräch: „Ich weIl enns versöcke, op dr Büll Werk ze krieje.”* Sein Begleiter antwortete nicht. Die beiden Männer stolperten gemeinsam weiter über den dunklen Weg. Alfons meinte dann: „Dr Betriebsführer Wietz soll jo enne Jeck senn!”** Auch darauf erhielt Alfons keine Antwort. An der Grube verloren sich beide Männer aus den Augen. Alfons fragte sich zum Büro des Betriebsführers durch. Vor der Tür wartete er eine Zeit. Endlich nahm er sich Mut und klopfte an. Alfons hatte noch nicht die Bürotür richtig hinter sich geschlossen und seinen Wunsch nach Arbeit vorgetragen, da fuhr ihn der Betriebsführer an: „Dr Nuedsteär es jenge Büll, dr Wietz es jenge Jeck, on för üch hann ich je Werk! Glückauf!”***

*) Ich will einmal versuchen auf der Nordstern Arbeit zu bekommen.
**) Der Betriebsführer Wirtz soll ja ein Verrückter sein!
***) Der Nordstern ist kein Büll, der Wirtz kein Narr, und für euch habe ich keine Arbeit!

Das schlechte Hangende (Claus Aschke)

Der lange Hein und sein Kamerad gingen zum Schacht, um zur Nachtschicht einzufahren. Ein klarer Sternenhimmel wölbte sich über dem Grubengelände. Die beiden Bergleute besprachen die letzte Tagesneuigkeit: Ein zentnerschwerer Meteor war in der vorigen Nacht vom Himmel heruntergekommen und metertief in die Erde eingeschlagen.

„Was du nicht sagst!" antwortete der lange Hein erstaunt.

„Ja”, bekräftigte sein Kamerad, „meine Frau hat das heute morgen gehört!”

Der lange Hein blieb stehen und schaute nachdenklich zu den Sternen. Als in diesem Augenblick eine Sternschnuppe am Himmel ihre Bahn zog, faßte er seinen Kameraden beim Arm und drängte ihn zum Förderkorb. „Komm”, sagte er, „laß uns machen, daß wir nach unten kommen. Hier oben ist mir das Hangende zu schlecht. Womöglich fällt uns so'n Brocken noch auf'n BaIg!”

Sonntagskleidung

Auf Gouley wurde Besuch der Bergbehörde erwartet. Hein meinte, da müsse er sich doch wohl was Ordentliches anziehen, und erschien am nächsten Tag im schwarzen Anzug. So fuhr er auch ein und setzte sich in Erwartung des Besuches auf die Gezähekiste*.

Nach einer Weile kam der Steiger mit den Herren von der Bergbehörde. Als er den Hein im Sonntagsstaat sitzen sah, fragte er verdutzt: „Was machen Sie denn hier?”

„Ich men”, antwortete Hein, „wenn Besöck kött, da deet ma sich doch jätt Anständijes a. Dann maat man doch och jätt uß!”**

*) Werkzeugkiste
**) Ich meine, wenn Besuch kommt, dann zieht man sich doch etwas Anständiges an. Dann macht man doch etwas aus!

Politikverdrossenheit

Mit frischem Tannengrün, Blumen, brennenden Grubenlampen und Emblemen des Bergbaus war im Mai 1953 der Casinosaal in Alsdorf geschmückt. Nach einem technisch neuen Verfahren war der Franzschacht der Anna-Grube abgeteuft und fristgerecht fertiggestellt worden. Das gab den Anlaß zu einer Feier, zu der von der Bergwerksgesellschaft alle die eingeladen waren, die zu dem Werk beigetragen hatten. So saßen an den langen Tischen die Vertreter der Bergwerksgesellschaft, Mannschaften und Direktoren der Schachtbaufirmen und die Repräsentanten der Öffentlichkeit. Bergwerksdirektor Venn hielt die Richtfest-Rede, Verantwortliche der Schachtbaufirmen sprachen, die Repräsentanten der kommunalen Körperschaften ergriffen das Wort. Es wurde auf die Bedeutung des Werkes hingewiesen, die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit angesprochen, die Krisenfestigkeit der Steinkohle beschworen, man ging auf die energiepolitische Situation ein, sprach von der Montanunion, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Über all die politischen Ausführungen der Redner ärgerte sich der für die Abteufbelegschaft verantwortliche Betriebsführer. Als er für seine Abteufmannschaft in einem Redebeitrag von den schwierigen Arbeiten sprach, die geleistet wurden, dafür seinen Leuten dankte und dem Werk Bestand für die Zukunft wünschte, schloß er, indem er auf die reich gedeckte Tafel wies, mit den Worten: „Sufft üch voll on aißt üch deck, ävver haut de Mull van Politik!”*

*) Sauft euch voll und eßt euch dick, aber haltet den Mund von Politik!

Die Osterbeichte

Über Jahre hatte ein Bergmann, so wie es üblich war, täglich ein Stück Grubenholz mit nach Hause genommen. Dieses selbstverständliche Mitbringsel wurde dankbar von seiner Frau angenommen und als Anzündholz für das Kohlenfeuer verwandt. Kurz vor Ostern plagte aber den Bergmann das schlechte Gewissen, die Grubengesellschaft über so lange Zeit bestohlen zu haben. Er errechnete, daß er über drei Kubikmeter Holz so entwendet hatte. Bei der österlichen Jahresbeichte bekannte er im Beichtstuhl dem Pastor: „Ich habe der Grube drei Kubikmeter Holz gestohlen.”

Der Pastor antwortete ihm: „Das ist schlimm. Da bist du ein großer Sünder. Diese Tat verlangt Buße und Wiedergutmachung! - Warum hast du nicht, so, wie es alle anderen tun, jeden Tag nur einen Knötsch* mitgenommen?"

*) ein kleines Holzstück

Kann ausfahren

Auf der Grube Eschweiler Reserve war ein Steiger, der kurzen Prozeß machte mit Bergleuten, die es an der nötigen Arbeitswilligkeit fehlen ließen. „Ab mit dir! Raus mit dir zum Schacht!” war seine nicht zimperliche Anordnung.

Das hatte für den so Bestraften schwerwiegende Folgen. Er hatte den Lohn der ganzen Schicht verspielt und mußte am nächsten Tag gute Worte geben, überhaupt wieder einfahren zu dürfen.

Einmal kam der Steiger durch eine Richtstrecke und mußte erleben, daß ein dort eingesetztes Grubenpferd, das sonst sehr gutmütig war, seinen Dienst verweigerte. Es war vor einige Wagen gespannt, die es zum Schacht ziehen sollte. Weder gutes Zureden noch einige leichte Stockschläge halfen. Der Gaul wollte nicht. Da wurde der Steiger wütend. Er zog seinen Block aus der Tasche und schrieb auf einen abgerissenen Bon: „Kann ausfahren!” - spuckte ein paarmal ordentlich auf das Papier und klebte es dem störrischen Pferd auf eine Hinterbacke.

Arbeitsfortschritt

Lennet sollte das Flöz, das in der Streckenbrust anstand, auskohlen. Mit dem Pickhammer löste er die Kohle und schaufelte sie in Förderwagen.

Lennet war in dieser Schicht nicht gut gestellt. Ihn störten die lauten Geräusche, die in seiner Nähe von einer kleinen Wasserpumpe und von einem Ventilator, der ihm frische Wetter zublies, ausgingen. Der Pickhammer übertönte dabei, wenn er ihn einsetzte, noch den anderen Lärm mit seinem Rattern.

Obwohl Lennet keine Ruhe bekam, wurden die Arbeitspausen immer länger. Schon zum dritten Mal kam der Steiger, um den Arbeitsfortschritt zu kontrollieren. Die Schicht war schon bald vorbei, der Steiger rief dem Lennet durch den Lärm zu: „Wie völl Wans haste at, Lennet?”* Lennet brüllte noch lauter zurück: „Leck mich am Arsch! Noch nüng, dann hann ich zehn!”**

*) Wie viele Wagen hast du schon, Lennet?
**) Leck mich am Arsch! Noch neun, dann habe ich zehn!

Krankentransport

Das Krankenhaus für das Wurmrevier lag in Bardenberg. Wenn ein Bergmann verunglückt und verletzt war, legte man ihn, so schmutzig wie er aus der Grube kam, auf eine zweirädrige Stoßkarre und ließ ihn von zwei Kameraden ins Krankenhaus fahren.

Eines Tages erlitt ein Bergmann von Maria-Hauptschacht einen Oberschenkelbruch. Er wurde wie üblich auf die Karre gelegt und fortgebracht. Als nach Stunden, schließlich war die Verletzung keine leichte Sache, man sich nach dem Befinden des Verunglückten telefonisch erkundigte, bekam man den Bescheid, daß bisher ein Verletzter nicht eingeliefert worden sei. Dadurch wuchsen die Sorgen in Mariadorf, wurde doch vermutet, daß vielleicht ein weiteres Unheil den Leuten zugestoßen sein konnte. Zwei weitere Bergleute fuhren deshalb mit ihren Fahrrädern in Richtung Bardenberg. Im Schatten eines Baumes stand am Rande des Weges die Karre. Der Verletzte lag auf seinem Wagen und schlief friedlich. Die beiden anderen lagen im Straßengraben und schnarchten. Nachdem sie mit Mühen wachgerüttelt waren, gaben sie mit schwerer Zunge die Erklärung: „Dat ding esu wieh, on dat hat os esu leed jedonn, do hant werr os en de Wietschaff iesch enne drenke mösse!”*

*) Das tat so weh, und das hat uns so leid getan, da haben wir uns in der Wirtschaft zuerst einen trinken müssen.

Lev Barbara

In vergangenen Zeiten, als die Bergleute noch täglich vor der Grubeneinfahrt gemeinsam ein Gebet sprachen, feierten sie auch am vierten Dezember traditionsgemäß ihre Schutzpatronin, die Heilige Barbara.

Außer in einigen Pfarrgemeinden und Invalidenvereinen ist dieser alte Brauch heute fast in Vergessenheit geraten.

Noch vor hundert Jahren bestand auf der Grube Anna I die Gepflogenheit, daß am jährlichen Gedenktag der Heiligen Barbara nach dem üblichen Gebet auch einige Dankesworte an die Beschützerin der Bergleute gerichtet wurden. Diese Aufgabe wurde stets dem ältesten Hauer übertragen.

Einmal war ein braver Bergmann an der Reihe, der zwar seine Arbeit perfekt beherrschte, aber mit der hochdeutschen Sprache auf Kriegsfuß stand. Über seine Ansprache ist deshalb auch noch lange geschmunzelt worden.

Laut schriftlicher Überlieferung soll sie gelautet haben: „Lev Barbara. Sämtlijje Alsdörper Berschlü jröße dich met Glückauf. Bes och völlmols Merci, dat du so et janze Johr beschötz hast on dat os nüüß op dr Kopp jefalle es. Jävv os völl Koehle on beschötz och osse Kaiser. Mit vorzüglicher Hochachtung. Amen.”*

*) Liebe Barbara. Sämtliche Alsdorfer Bergleute grüßen dich mit Glückauf. Sei auch vielmals bedankt, daß du uns das ganze Jahr beschützt hast und daß uns nichts auf den Kopf gefallen ist. Gib uns viele Kohlen und beschütze auch unseren Kaiser. Mit vorzüglicher Hochachtung. Amen.

Die Wegzehrung

Von Maria-Hauptschacht machten sich vier Bergleute aus Kellersberg immer gemeinsam auf den Heimweg. Unterwegs kehrten sie regelmäßig ein oder ließen sich als Wegzehrung in einer Gaststätte ein Kaffeeblech mit Schnaps füllen.

Schon bei der Ausfahrt am Schacht klagten sie sich gegenseitig den großen Durst nach der staubigen Schicht. Abwechselnd meinte immer einer, daß ein Schluck Schnaps jetzt das Richtige wäre. Beim Wirt der Gaststätte, die auf ihrem Heimweg lag, stand aber noch eine große Rechnung offen, und es war aussichtslos, dort vorzusprechen. „Laß mich das nur machen”, sagte Hännes. Er ließ seine Kaffeepulle voll Wasser laufen und bat seinen Kumpel, ihm seine noch zu leihen: „Gib mir deine Blechflasche, die sieht genauso aus wie meine Flasche!”

Vor der Gaststätte bat Hännes die anderen zu warten. Er ging zum Wirt und gab den Auftrag: „Füll' mir die Flasche bitte mit weißem Korn!”

Aus dem Ballon schüttete der Gastwirt das teure Naß in die Kaffeeflasche, die Hännes ihm reichte. Als es aber ans Bezahlen ging, schüttelte der Bergmann nur den Kopf und wollte den Betrag anschreiben lassen. Das lehnte der Wirt ab und ließ sich von Hännes die Kaffeeflasche zurückgeben. Der machte ein trauriges Gesicht, nahm die Flasche aus seiner Rocktasche und reichte sie dem Wirt. Hännes mußte mit ansehen, wie die klare Flüssigkeit wieder in den Ballon geschüttet wurde.

An der nächsten Wegecke ließ Hännes anhalten, ein mit Schnaps gefülltes Kaffeeblech machte die Runde. Seine Begleiter schauten Hännes fragend an. „Wenn die Schloffmötsch dat net merk. Ich kann hämm doch net avhalde, Pötz en singe Ballong ze schödde”*, meinte Hännes trocken.

*) Wenn die Schlafmütze das nicht merkt. Ich kann ihn doch nicht davon abhalten, Wasser in seinen Ballon zu schütten.